26.06.2015

Test: Glyphosat in Muttermilch

Als Bundestagsfraktion haben wir lange überlegt, ob wir Muttermilch auf Glyphosat testen und in Kauf nehmen sollen, damit stillende Mütter möglicherweise zu verunsichern, obwohl Muttermilch so wichtig für Säuglinge ist. Letztendlich haben wir uns für die Veröffentlichung entschieden, weil die gefundenen Werte sehr besorgniserregend sind und eine offene Debatte eher zu den notwendigen Veränderungen führt.

Insgesamt wurden von einem Labor in Leipzig 16 Proben Milch von verschiedenen Müttern getestet, die sich überwiegend mit konventionellen Lebensmitteln ernähren. Die teilnehmenden Frauen waren dabei allesamt keine Anwenderinnen von Glyphosat, die Belastung muss daher aus anderer Quelle resultieren (zum Beispiel Nahrung, Kontakt auf Flächen, auf denen Glyphosat angewendet wurde oder ähnliches). Es nahmen Frauen aus Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz teil.

In allen 16 Muttermilchproben lagen die festgestellten Glyphosatrückstände über dem für Trinkwasser zulässigen Rückstandshöchstgehalt von 0,1 ng/ml (Nanogramm pro Milliliter). Für Muttermilch selbst gibt es keinen Grenzwert. Alle getesteten Werte lagen zwischen 0,2 und 0,43 ng/ml. Bislang gibt es für Deutschland keine veröffentlichten Befunde, die als Vergleichswerte herangezogen werden könnten.

Bärbel Höhn, Vorsitzende des Umweltausschusses, findet die Werte beunruhigend: „Offensichtlich findet ein Übergang in die Muttermilch statt. Zwar können die Frauen auch selbst etwas tun, um die Belastung gering zu halten. Aber es können und wollen nicht alle komplett auf Biokost umsteigen. Die Bundesregierung muss Glyphosat aus dem Verkehr ziehen, bis die Frage der krebsauslösenden Wirkung geklärt ist.“ Zur Panik bestehe kein Anlass, betont sie: „Natürlich soll jetzt niemand aufhören zu stillen. Muttermilch ist immer noch die beste Nahrung für jedes Baby." Die gefundenen Mengen seien sehr gering und jetzt müsse geforscht werden. 

Die Wissenslücke besteht nicht nur hinsichtlich des Vorkommens und Übergangs von Glyphosat in die Muttermilch, sondern insgesamt zum Vorhandensein und der Wirkungsweise im Körper sowohl von Menschen als auch von Säugetieren. Harald Ebner, Mitglied im Agrarausschuss des Bundestages fordert deshalb: „Die Ergebnisse zeigen vor allem eines: Glyphosat ist allgegenwärtig. Dass in jeder untersuchten Muttermilchprobe mehr Glyphosat gemessen wurde, als für Trinkwasser zulässig ist, macht den dringenden Handlungsbedarf deutlich. Wir fordern ein umfassendes Human-Biomonitoring. Das Bundesinstitut für Risikobewertung muss sich dringend in die Weiterentwicklung der Analyseverfahren einbringen.“

HINTERGRUND:

Glyphosat ist der weltweit und auch in Deutschland am häufigsten verwendete Wirkstoff für Pflanzenvernichtungsmittel. 2012 wurden in Deutschland 6 Millionen Kilogramm reiner Wirkstoffmenge ausgebracht. Ende März wurde der Wirkstoff, auf dessen ökotoxische Wirkung das Umweltbundesamt schon lange hinweist, von der WHO-Krebsforschungsagentur IARC als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ eingestuft. Die Monografie des IARC zu der Einstufung soll Mitte Juli 2015 vorgelegt werden.

Parallel läuft das Wiederzulassungsverfahren auf EU-Ebene: Pflanzenschutzmittel erhalten in der Regel eine zunächst auf 10 Jahre befristete Zulassung, danach muss der Stoff erneut für sicher befunden werden, um eine Zulassungsverlängerung zu erhalten. Jeweils ein EU-Mitgliedstaat ist Berichterstatter für diese Überprüfung. Für Glyphosat, dessen Zulassung Ende 2015 ausläuft, ist Deutschland Berichterstatter. Trotz der IARC-Einstufung hat Deutschland seinen Bericht, der eine Glyphosataufnahme im Rahmen der gesetzlichen Rückstandshöchstgehalte als unbedenklich einstuft und die Zulassungsverlängerung empfiehlt, im Mai unverändert an die EU-Behörde EFSA zugeleitet.

Bündnis 90/Die Grünen fordern angesichts der Einstufung durch die IARC einen Stopp des Verfahrens und eine Aussetzung der Zulassung, bis die wissenschaftliche Kontroverse um die krebserregende Wirkung von Glyphosat geklärt ist. Auch Anwendungen im Privatbereich sollten schnellstmöglich verboten werden.